Fünf Minuten Starbucks
Aus der Reihe: Kaffeegespräche
Ich soll hier gerade Sachen niederschreiben, damit es aussieht, als würde ich etwas tun. Dabei tue ich ja was. Ich schreibe. Auch wenn der Text hier im Endeffekt vermutlich gelöscht wird, macht mir Schreiben zum Glück ja Spaß. Das Macbook ist auch viel schneller als meins. Vielleicht nehm ich das einfach mit. Neee. Lass mal lassen, sagt meine innere Stimme mir. Aber die Tastatur lässt sich auch viel leichter bedienen als die an meinem Apple Gerät. Ich frage sie gleich mal, welches MacBook das ist. MacBook Pro steht da vorne unter dem Bildschirm. Ich habe ein MacBook Air, aber vermutlich eine ältere Version. Kann ich ja nicht wissen. Immerhin bekomme ich gleich meinen Kaffee. Fünf Minuten draußen gewesen und meine Hände gefrieren wieder zu klobigen kleinen Miniaturen ihrer selbst. Trotzdem scheine ich hier schneller zu schreiben. Ich habe eigentlich lange schon nichts mehr geschrieben. Zumindest nichts wirklich lohnenswertes. Mein letztes Gedicht war zufriedenstellend, aber auch nicht konkurrenzfähig zu dem, was ich meine beste Arbeit nennen würde. Komisch. Die Zeit scheint schneller und dennoch zu langsam zu vergehen. Ich warte. Immer noch. Wo ist mein Kaffee?
Menschen kommen und setzen sich an meinen Tisch, weil ich es Ihnen eben angeboten habe. Ich bin ja gleich wieder weg. Gleich in fünf Minuten etwa, habe ich gesagt. Ich nehme hier einen ganzen Tisch und Sessel ein. Sie sprechen Spanisch. Super interessante Sprache. Werde ich auf jeden Fall in den nächsten Jahren noch lernen. Erstmal polnisch, dann rumänisch. Der Zeiger dieser Maus fliegt so unglaublich schnell über das Display. Ob´s den noch für billiger bei eBay gibt? Sprachen interessieren mich schon zu sehr dafür, dass ich erst zwei fließend spreche. Ich hätte viel früher wieder mit polnisch anfangen sollen. Familiendrama hin oder her. Sprachen lernen kann wirklich ermüdend sein, aber es ist umso besser, wenn man dann erste Ergebnisse wahrnimmt. Und je jünger man ist, desto mehr passt noch in einen Kopf rein. Hab ich mal gehört. Ich glaube, die beiden mir gegenüber haben ein Date. Sie lacht viel. Das freut ihn, das höre ich an dem Stimmwechsel und seinen Betonungen. Sie hat ein hübsches Lachen. Erste Fortschritte, sie probiert von seinem Kaffee und hat ihre Hand die ganze, wirklich die ganze Zeit in Ihren Haaren. Die fallen glatt runter, was machst du da? Mein Kaffee ist mittlerweile angekommen, ich probiere kurz. Ich hoffe sie fragt gleich nicht, ob sie den auch probieren kann. Das wäre echt schräg. Das Gespräch wird flüssiger, sie haben sich langsam mehr aneinander gewöhnt. Si, Si Si Si.
Ich sitze immer noch drinnen und starre auf das Display, während draußen die Sonne untergeht. Nach draußen gucken geht nicht, da wird gerade ein Kurzfilm gedreht und meine In-Film Ex macht Stalkerbilder von mir. Weird. Bin mal gespannt, was die am Ende wirklich damit machen wird. Ich mag die Truppe, gutes Team. Die Story ist echt gut, aber wenn ihr die erfahren wollt, müsst ihr euch den Film anschauen gehen. Love you different. Aber nicht different ha ha. Stalker- different. Keine Ahnung, wo man den streamen kann. 
Das hier sind nur meine fünf Minuten im Starbucks am Friesenplatz. 
Ich glaube, ich habe eben Argentina gehört. Ich glaube, da spricht man gar kein Spanisch. Zumindest kein direktes. Ist das dann Dialekt oder Akzent? Wäre ich wirklich einfach so hier und jemand würde Stalkerbilder von mir machen, ich würde es nicht merken. Ich bin so ins Schreiben vertieft, dass ich nur Augen für das Display und Ohren für das Gespräch direkt vor mir habe. Welches ich nicht verstehe. Kein. Kleines. Bisschen. Ist aber auch besser so, dann kann ich mich aufs Schreiben konzentrieren. Kennt ihr das, wenn Leute Musik hören, während sie schreiben? Keine Ahnung, wie die das machen. Wenigstens ist es warm. Ich war noch nie vorher hier. Starbucks ist tatsächlich ein Vibe. Wir wollen jetzt mal nicht politisch werden, die Geschichte hier entsteht im Dezember ´23.
Also, zurück zum Vibe. Ich glaube, selbst ohne Kaffee könnte man sich hier stundenlang verlieren. Stellt euch mal vor, ich würde das WLAN auch noch nutzen. Ich mache ja nichts anderes als Schreiben. Kurzer Blick aufs Handy, hat sich natürlich nichts getan. Ich bin echt müde, der Tag hat sehr viel Spaß gemacht aber hat auch echt zu früh gestartet und wird vermutlich zu lang gehen. Ich gehe gleich noch Musik machen in Nippes. Bin ja mal gespannt wie das so wird. Vielleicht inspiriert der kleine Schreibausflug hier mich ja zu ein oder zwei Songs. Wir werden sehen.
Weitere Fortschritte gegenüber, sie hat sich zurückgelehnt, entspannt die Beine übereinander geschlagen und somit seine Haltung imitiert. Immer ein gutes Zeichen, merkt euch das City Boys. Er hat sich auch zurückgelehnt, das Gespräch ist etwas abgekühlt und entspannter geworden, aber beide fühlen sich wohl. Good for you. Ein Schluck vom Kaffee, echt nicht schlecht das Zeug. Die Schauspielerin, die meine Ex spielt, kam gerade rein. Es ist eigentlich ihr Kaffee. Ich genehmige mir trotzdem noch einen Schluck. Es wird noch über verschiedene Kamerawinkel diskutiert, sagt sie. Alles klar, entgegne ich. Sie fragt, was ich da schreibe. Ich drehe das MacBook in ihre Richtung und sie fängt an zu lesen. Kurz darauf wird von draußen signalisiert, dass wir weitermachen können. Endspurt. Eigentlich will ich hier gar nicht raus, es ist cozy und ich schreibe endlich mal wieder was. Ich hab schon echt lange nicht mehr so viel geschrieben. Aber ich fühle mich auch ein bisschen nervig, weil ich unbewusst das Gespräch von gegenüber belausche. Auch wenn ich kein Wort verstehe, ist es ein wenig unangenehm. Si, Si Si Si.
Mal sehen, wo die Reise mich hier noch hinführt. Ich fasse mir an meine rechte Schläfe, an der ich mal verletzt wurde. Ab und zu drückt es da immer noch ein wenig. Heute ist hier echt viel los. Ich bin so tief eingetaucht, dass ich mir überlege, Kopfhörer aufzusetzen, damit ich das Durcheinandergemurmel der anderen Tische übertönen kann. Schreiben auf einem neuen Macbook, guter Kaffee, ein gemütlicher Sessel und ein warmer Platz. Eigentlich gar nicht so schlecht. Vielleicht bleib ich einfach hier. Ich hab kein Ladekabel dabei. Verdammt. Ein Blick nach oben, in das fast volle Café. Mein Blick kreuzt den einer hübschen Blondine. Wir lächeln uns kurz zu und unsere Augen gehen weiter ihrer Wege. Ich denke an das Konzert gestern, das war wirklich ein Erlebnis. Ich bin richtig stolz auf ihn. Ein Freund von mir hatte einen Auftritt und ich habe ihn das erste Mal live gesehen. Geiles Gefühl. Beide Kaffee der beiden gegenüber sind leer und ich komme mir komisch vor. Würde ich die Kapuze meines schwarzen Hoodies noch anziehen, sähe ich aus wie so ein richtiger Hacker aus dem deutschen Fernsehen. Who am I, Bitches. Ich seh schon, wie Elyas M'Barek gleich reinkommt und mich anschreit, ich soll den BND hacken.
Meine Augenringe on Fleek von viel zu wenig Schlaf und meine Füße immer noch kalt, obwohl ich Chelsea Boots trage. Kann ja nicht sein. Wie lange brauchen die für ein paar Fotos, das hier wird ja zu einer richtigen Kurzgeschichte. Ich habe aber auch lange nichts mehr geschrieben, habe ich das schon erwähnt? Ein kurzer Blick über die Schulter, abgelenkt von einem nervigen ´Bing` von irgendeinem Iphone irgendeines Penners, der nicht weiß wie man sein Handy in den lautlosen Modus wechselt. Nochmal, Blick über die Schulter. Eine Gestalt nähert sich meinem Fensterplatz. Der Kameramann steht mit dem Rücken zu mir direkt auf der anderen Seite der Verglasung. Blick durch den Raum. Ich fange wieder den Blick der Blondine auf. Jetzt wird ́s komisch. Ich bin gleich wieder weg, gar keine Lust auf ein Gespräch gerade. Vielleicht auf Spanisch, wenn. Update zu den beiden gegenüber, ich nenne Sie in meinem Kopf mittlerweile liebevoll „die Beiden“. Das Gespräch ist wieder hitziger geworden und sie hat ihre Hände endlich im Griff.

Er gestikuliert viel und sie macht wieder seine Haltung nach. Good luck, Soldier. 
Blende, Abspann, ich darf aufstehen.
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